Welchen Normen und Werten folgen unsere Mediziner? Und welchen Einfluss nimmt hierbei die im Rahmen ihrer medizinischen Ausbildung automatisch erfolgte eigene Sozialisation auf den späteren Umgang mit heterogenen Patientengruppen? Dr. Houda Hallal konnte selbst Lehr- und Forschungserfahrung im medizinischen System sammeln und zeigt, dass die vermeintlich neutralen Konzepte der Medizin nicht ganz so unabhängig von sozialen Rollenvorstellungen und kulturellen Normen sind, wie wir meinen. Es zeigt sich auch, dass Studierende der Medizin bereits im Verlauf ihrer Ausbildung sukzessiv ein implizites Wissen vorherrschender Denkens- und Verhaltensnormen aufbauen. Der ihnen so vermittelte ärztliche Habitus orientiert sich an der normativen Ordnung eines nach wie vor hierarchisch strukturierten Medizinsystems. Die Konfrontation mit Andersdenkenden wird im routinierten Arbeitsablauf dann als störend empfunden. Mit dem Eingeständnis aber, dass Deutschland längst zum Einwanderungsland und auch soziokulturell immer heterogener geworden ist, erwächst auch zwingend die Notwendigkeit zum qualifizierten Umgang mit Diversität und Interkulturalität. In diesem Zusammenhang geht Dr. Hallal der wichtigen Frage nach, welchen Rahmenbedingungen eine diversitätssensible Lehre im Medizinstudium genügen muss und wie sich die bisher fehlende Reflexion über die Wirkkraft der internalisierten Normen und Werte des Medizinsystems lostreten lässt - denn: "Gesundheit und Krankheit sind […] nicht nur Bedingungen oder Zustände des menschlichen Individuums […]. Sie sind zugleich Zustände, die innerhalb der Kultur und Sozialstruktur der Gesellschaft bewertet und institutionell anerkannt werden" (Parsons 2005).
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